Bevor eine Arbeit begonnen wird, sollte klar sein, was das erwünschte Ergebnis der Bemühungen bzw. was das Ziel ist. Erprobung ist kein Selbstzweck, Erprobung muss ein nützliches Ergebnis liefern. Was aber ist der Nutzen bzw. das Ziel von Erprobung?

Stellt man diese Frage Erprobungsverantwortlichen, bekommt man als Ergebnisse Aussagen wie

  • Unser Produkt soll zuverlässig werden.
  • Wir wollen unser Produkt kennen lernen.
  • Wir müssen unseren Erprobungsmeilenstein erreichen.
  • Die Baureihe (oder irgend jemand) fordert die Erprobung.

All das beantwortet die Frage nicht, was denn nun das Ergebnis von Erprobung ist. Sicher ist aber, Erprobung macht ein Produkt nicht zuverlässig. Die Zuverlässigkeit ist das Ergebnis von Design und Produktion. Zur Verbesserung von Design und Produktion können die Ergebnisse aus der Erprobung aber natürlich helfen. Was die Zuverlässigkeit oder die Nutzbarkeit des Produktes verbessern können sind Ergebnisrückmeldungen aus der Erprobung.

Aus Sicht der Produkthaftung viel wichtiger als die Produktverbesserung ist die Dokumentation der Erprobung. Das wesentliche Ergebnis der Erprobung ist die Freigabe des erprobten Standes. Mittels der Erprobungsergebnisse erfolgt die Produktfreigabe. Damit erreicht das Produkt das nächst höhere Verbreitungslevel, bis es tatsächlich auf den Kunden „los gelassen“ wird. Aus dieser Freigabe leiten sich juristische Konsequenzen ab. Kommt eine Sache oder gar ein Mensch durch den Einsatz des Produktes zu Schaden, können sich zivil- oder strafrechtliche Konsequenzen für die Freigabeorganisation oder deren Verantwortliche ergeben.

Zivilrechtliche Konsequenzen bedeuten praktisch materielle Kompensation in Form von Ersatz oder Zahlungen an die Geschädigten. Strafrechtliche Konsequenzen bedeuten in jedem Fall Konsequenzen gegen die Verantwortlichen. Dies können auch Haftstrafen sein. Aus Sicht der Verantwortlichen liegt es folglich auf der Hand, dass der Fall von strafrechtlichen Konsequenzen ausgeschlossen wird. Allerdings ermittelt eine Ermittlungsbehörde immer zu einem Zeitpunkt, zu dem die Konsequenzen eingetreten sind. Damit liegt es auf der Hand, dass „da etwas passieren kann“. Da der Erprobungsexperte dies hätte im Zweifel hätte erkennen müssen, liegt der Verdacht nahe, der Verantwortliche hätte im besten Fall nur fahrlässig im schlechtesten Fall vorsätzlich gehandelt. Dass zum Zeitpunkt der Erprobung bestimmte Dinge noch nicht erkennbar waren, ist dann oft schwer zu argumentieren.

Unter Juristen gibt es einen Witz: Die Juristen sprechen gerne von der objektivsten Behörde, wenn sie die Staatsanwaltschaft meinen. Die Staatsanwaltschaft hat die Aufgabe, entlastenden und belastende Fakten zu ermitteln. Tatsache ist, dass in der Regel kein Staatsanwalt entlastende Fakten sammelt. Was vorgetragen wird ist die Belastung des Angeklagten, um den Vorgang möglichst schnell zu beenden. Vereinzelt führt das zwar zur Rüge durch Gerichte. Dazu muss aber der entlastende Fakt erst einmal bekannt sein. Aus Sicht der Erprobungsverantwortlichen ist also ein wesentliches Ergebnis der Erprobung die valide dokumentierte Freigabe.

Das Wort valide bedeutet brauchbar. In diesem Zusammenhang heißt brauchbar, wenn es darauf ankommt brauchbar. Darauf ankommen wird es immer, wenn die Freigabe nachträglich in Frage gestellt wird, weil es Schadensfälle, juristische Streitigkeiten oder auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gibt. Die Dokumentation muss hier jeden Zweifel erschüttern, dass die Freigabe zum Zeitpunkt der Freigabe ggf. nicht gerechtfertigt war.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Das vorsätzliche Verschweigen von Fehlern in der Freigabedokumentation stellt einen Straftatbestand dar. Dies sollte also in keinem Falle in Erwägung gezogen werden.

Erprobung liefert also folgende Ergebnisse:

  1. Ergebnisrückfluß aus der Erprobung in Design und Produktion
  2. die valide dokumentierte Freigabe

Merksatz: Zuverlässigkeit wird nicht „ertestet“. Zuverlässigkeit ist das Ergebnis von Design und Produktion. „Ertestet“ werden Requirementerfüllungsgrade. (Requirement = Anforderung)

Merksatz: Der Erprobungsprozess muss Ergebnisse zurückliefen um den kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) des Produktes zu befeuern.

Merksatz: Der Erprobungsprozess muss von da aus gedacht werden, wo die Freigabe rückwirkend zu rechtfertigen ist.

 

Dieser Beitrag ist eine Zusammenfassungen eines Abschnitts aus einer Mitarbeiterschulung unter dem Titel „Erkenntnistheorie als Grundlage der Fahrzeugerprobung. Für Fragen, Anregungen und Diskussionen steht Ihnen der Autor gerne zur Verfügung.

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